Liebe Leserin, lieber Leser,

der erste Band der Reihe um die Thaumik ist nun zu Ende, und ich muss mich dafür entschuldigen, dass er so viele Fragen offenlässt, allen voran natürlich: Welches Geheimnis will die Bruderschaft bewahren? Was hätte Lorth also herausfinden können, wenn er es mit den Glasthaumikern nach Balta geschafft hätte? Und wird das jetzt sein Sohn Ganni übernehmen können?

Ich kann versprechen, dass der nächste Band diese Fragen klären wird, der Plot ist komplett geplant, und über zweihundert Seiten sind schon geschrieben (Stand Weihnachten 2024). Wer auf dem Laufenden gehalten werden will, kann gerne Kontakt mit mir aufnehmen, per E-Mail oder auf Facebook. Auch auf Instagram werde ich alle Fortschritte verkünden, damit niemand die Veröffentlichung des nächsten Bandes verpasst.

Es wird wieder eine Handlung sein, die auf verschiedenen Welten spielt, Menschen – und andere Wesen – aus verschiedenen Kulturkreisen werden aufeinandertreffen, wir werden mehr vom Leben auf Balta erfahren und – ja – wir werden Ganni kennenlernen, so viel kann ich verraten.

Bis zum Erscheinen werden aber noch einige Monate vergehen und in der Zeit hoffe ich, noch einige neue Leser begeistern zu können. Dabei kann mir jeder helfen, wenn er will, dafür muss man nämlich nur eine Bewertung und vielleicht auch eine kurze Rezension auf Amazon hinterlassen. Hier ist dazu der Link.

Ein Kapitel hat es leider nicht in Istalog geschafft, es musste aus strukturellen Gründen weichen, da es keinen guten Platz im Roman gefunden hat. Es erzählt einen weiteren Schlüsselmoment aus Lorths Leben. Für alle Interessierten hänge ich das hier unten an.

Herzlichen Gruß
Alfe


»Wen haben wir denn da?«

»Finney heißt er.«

»Und warum bringst du mir den?«

»Er ist der coolste kleine Scheißer, der mir seit Langem begegnet ist.«

Der dicke Gria-Mann auf dem Barhocker vor ihm schaute Lorth das erste Mal genauer an. »Cool?«, fragte er nach ein paar Sekunden. Dann schlug er ihn unvermittelt mit der flachen Hand ins Gesicht. Lorths Hand war rechtzeitig hochgezuckt, um den Schlag zu parieren, hatte dem Gewicht des Armes aber wenig entgegenzusetzen. Die Hand traf ihn mit Wucht an der Schläfe, schlug seinen Kopf zur Seite, er taumelte, fiel auf einen flachen Tisch in der schummrigen Bar. Der Tisch gab unter dem Aufprall nach und klappte weg. Lorth fiel zusammen mit Snacks und Getränken auf den Boden.

Sein Kopf dröhnte von der Wucht des Schlages. Er blinzelte mehrmals, um wieder klare Sicht zu bekommen. Vor ihm lag eine Waffe, die auch auf dem Tisch gelegen haben musste.

»Wie hast du ihn denn gefunden?«, fragte der Dicke jetzt.

»Er … hat geklaut«, sagte Marten, der ihn hergebracht hatte. Er klang etwas verunsichert, fing sich jetzt aber wieder und fuhr aufgeregt fort: »Das hättest du sehen sollen! Er ist einfach zwischen den Wachleuten durchmarschiert. Dann –«

»Was für Wachleute?«, unterbrach ihn der Dicke.

»Von einem Juwelier. Lieferleute. Wir haben die beobachtet, weil wir die auch mal hopsnehmen wollten. Aber der Kleine war schneller.«

Lorth lag noch auf dem Boden und griff nach der Waffe. Es war eine schwere halbautomatische Pistole. Ihr Gewicht fühlte sich gut in seiner Hand an.

»Was hat er gemacht?«

»Die Wachen steigen gerade aus einem Lieferwagen aus, sichern die Umgebung, da kommt Finney aus dem Laden, in den sie ihre Lieferung bringen wollen.«

Lorth stand auf, rieb sich die Augen mit der linken Hand. Sein Kopf dröhnte noch leicht nach. Seine rechte hing schlaff herab, die schwere Pistole zog die Hand nach unten.

»Es ist ein wenig eng, er drängt sich also an den Wachen vorbei, die gerade da rein wollen, da fällt ein Schuss etwas weiter weg. Sofort ziehen die Wachen ihre Waffen, gehen in Deckung, suchen nach dem Schützen. Dabei geht der Kleine zu Boden, als wäre er umgehauen worden.«

Lorth lauschte ungerührt Martens Erzählung.

»Die Wachen denken, dass sie einen Kunden verletzt haben und sind in heller Aufregung. Einer schreit den anderen an, der schreit zurück, dass er das nicht war. Alles durcheinander. Am Ende steht der Koffer mit der Ware rum, und die Wachen wollen sich um Finney kümmern, der noch am Boden liegt. Da fällt wieder ein Schuss, und alle Wachen stellen sich vor Finney, schauen nach dem Schützen.« Jetzt veränderte sich Martens Stimme, wurde begeistert. »Da geht die Hand von Finney kurz an den Koffer, der einen Moment unbeachtet neben ihm steht, hält einen Nachschlüssel an das Schloss, das Ding schnappt auf, er greift rein, holt ein Säckchen raus, und macht den Koffer wieder zu! Ich dachte ich spinne!«

Lorth atmete tief durch und hob die Hand mit der Waffe. Er zielte auf den Dicken, der ihn daraufhin ansah, zunächst ohne Reaktion.

Dann schaute auch Marten zu Lorth. »Oh Scheiße!«, entfuhr es ihm, und er wich einen halben Schritt zurück.

»Ach ja, entsichern«, sagte Lorth leise in die plötzliche Stille hinein und entsicherte die Waffe, Blick und Lauf ruhig und fest auf den Dicken gerichtet. Der atmete jetzt tief ein und schaute ernst auf Lorth.

Ein paar Sekunden rührte sich nichts in der Bar.

»Wem gehört die Waffe?«, fragte Lorth.

Nach ein paar Sekunden: »Mir.« Von hinter Lorth, auf einem Sofa sitzend neben dem zerstörten Tischchen.

»Dein Boss hat mich gerade niedergeschlagen«, sagte Lorth ruhig. »Glaubst du, da ist es eine gute Idee, mir eine geladene Waffe vor die Nase zu werfen?«

Der Mann hinter Lorth sagte nichts.

Wieder vergingen ein paar Sekunden. Lorth blinzelte ruhig.

Dann sicherte er die Waffe wieder und senkte den Arm. Er drehte sich zu dem Mann auf dem Sofa um und hielt ihm die Waffe am Lauf hin.

Der Mann, verunsichert, nahm die Pistole schließlich, sprang dann auf und schlug Lorth die Faust ins Gesicht. »Kleiner Scheißer!«, knurrte er, während er die Waffe im Schulterholster verstaute.


»Wo hattest du den Nachschlüssel her?«, fragte Bop, der Dicke.

»Freunde«, sagte Lorth nur.

Bop grinste ihn an. »Und die Schüsse?«

»Noch mehr Freunde«, antwortete Lorth. Er sah Bop direkt in die Augen. »Wenn du willst, kann ich sie mal fragen, ob sie dich kennenlernen wollen.«

Bop winkte ab. »Was hast du mitgehen lassen?«, fragte er stattdessen.

»Einen Beutel Rohdiamanten. Der Koffer war voll davon.«

»Aber du hast nur einen Beutel genommen.«

Lorth schob eine Unterlippe vor, die noch immer geschwollen war vom Schlag von Erson. »Es war nur schnell zu machen. Bis auffällt, dass ein einzelner Beutel fehlt, dauert es einfach länger. Und so klingt es auch eher nach einem Insider.«

»Du bist nicht gierig«, konstatierte der dicke Gria-Mann und taxierte Lorth.

»Ein Beutel hat mir gereicht.«

»Aber viele Beutel sind besser.«

Lorth zuckte unmerklich mit den Schultern. »Und wenn es nach hinten losgeht, sitz ich ein.« Er erwähnte nicht, dass er noch Erinnerungen daran hatte, dass nicht nur die Polizei nach ihm gesucht hatte.

»Oder wirst gleich abgeknallt. Beim Versuch schon.«

»Oder das.« Lorth nickte.

Bop lehnte sich zurück, zog tief an seiner Zigarre und grinste wieder. Er schaute Lorth amüsiert aus den Augenwinkeln an, während er den Rauch langsam aus seinem Mund strömen ließ. Er machte keinen Hehl daraus, dass ihm der Jugendliche gefiel.

Eine Tür ging auf, Erson kam herein. Sein Blick verfinsterte sich, als er Lorth auf der Couch sitzen sah. Das Tischchen davor war inzwischen ersetzt worden. »Marten hat nach dir gefragt«, sagte er zu Bop.

»Gut«, sagte Bop nur und beachtete Erson nicht weiter. Aber er unterbrach sein Gespräch mit Lorth demonstrativ, bis Erson wieder gegangen war. Dann erst fragte er: »Willst du bei uns mitmachen, Finney?«

Lorth hatte die Frage erwartet. Er zögerte dennoch mit der Antwort. »Ich arbeite gut mit meinen Freunden. Wenn du mir sagst, wo ich mich raushalten soll, komme ich euch nicht in die Quere. Dass ihr den Juwelier beobachtet habt, wusste ich nicht.«

Bop zog einen Mundwinkel nach hinten. »Natürlich nicht.« Er zog erneut an seiner Zigarre, hüllte sich in eine Wolke, die von der Lüftung nach oben abgesaugt wurde. »Erson«, sagte er schließlich. »Er ist nicht gut auf dich zu sprechen. Du hast ihn vorgeführt.«

»Wird er mir Ärger machen?«

»Die Leute lachen über ihn. Er ist jetzt der, der seine Waffe rumliegen lässt. Der, der seinen Boss gefährdet.«

Lorth schaute zur Tür und atmete tief durch. »Wird er mir Ärger machen?«, wiederholte er leise.

Bop zog die Augenbrauen weit nach oben. »Ich an seiner Stelle würde nach dir suchen. Du bist der rumlaufende Beweis für seine Unfähigkeit. Aus seiner Sicht solltest du wenigstens nicht mehr rumlaufen.«

Lorth atmete einmal nachdenklich tief durch. Die Sache war enger, als er gedacht hatte. »Er hatte jetzt zwei Tage Zeit, das zu erledigen«, sagte er dann.

Bop zuckte leicht mit den Schultern. »Es war schon klar, dass ich nochmal mit dir reden will. Und ich reagiere verstimmt, wenn man mir die Gesprächspartner abknallt.«

»Kannst du ihm nicht befehlen, mich in Ruhe zu lassen?«, fragte Lorth, den Blick noch immer nachdenklich auf die Tür gerichtet.

Bop schaute Lorth aus schmalen Augen an. »Streitereien unter meinen Leuten kann ich natürlich untersagen«, sagte er viel andeutend.

»Aber Außenstehende …?«

»Haben keine Priorität.«

Lorth sah Bop wieder direkt an. »Ist das eine Erpressung?«

Bop schaute kurz zur Decke und atmete tief durch. »Finney, ich kann nicht meine Hand über jemanden halten, der mit uns nichts zu tun haben will. Ich kann dir helfen, zu verschwinden, aber auch nicht offen. Willst du das?«

Lorth dachte nach. Sich einer Gria anzuschließen war vielleicht nicht die schlechteste Idee. Er lebte ohnehin als Krimineller, da er sich nicht traute, irgendwo eine offizielle Identität anzunehmen. Zu sehr saß ihm die Erinnerung an Ositar im Gedächtnis.

Verschwinden hingegen würde heißen, alle Freunde hinter sich zu lassen.

»Nein«, sagte er, nachdem er die Gedanken fertiggedacht hatte.

Bop schaute ihn fragend an.

»Nein, ich will nicht verschwinden. Wie läuft das bei euch? Gibt es ein Aufnahmeritual oder so etwas?«

»Du hast dich entschieden, bei uns mitzumachen?« Bop klang erfreut.

Lorth nickte.

Bop streckte ihm die Hand entgegen, dieselbe, die ihn vorgestern umgehauen hatte.

Lorth ergriff sie nach kurzem Zögern. Sie schüttelten sie einmal kräftig. Dann ließen sie sich wieder los.

»Ja, ganz ohne Ritual kommen wir nicht aus«, sagte Bop und stand auf. Er ging hinter den Tresen und holte eine Pistole aus einer Schublade. Er trug sie mit beiden Händen wie eine Reliquie zu Lorth. Dort legte er sie fast feierlich vor ihm auf das neue Tischchen.

Lorth betrachtete sie. Sie war der von Erson sehr ähnlich. Ein wenig kleiner vielleicht.

»Hast du ein Holster?«, fragte Bop.

Lorth schüttelte den Kopf.

»Hast du überhaupt schon mal eine Waffe benutzt?«

Lorth schaute lange auf die Waffe. »Ich habe schon geschossen, ja.«

»Aber noch nicht auf Menschen, hmm?«

Lorth schüttelte einmal kurz den Kopf. Er griff nach der Waffe, nahm sie in die Hand, hob sie hoch. Sie fühlte sich gut an. Leichter als die von Erson. Er prüfte Kammer und Magazin. Die Waffe war durchgeladen und gesichert. Bei der Gria gab es keine ungeladenen Waffen. Ungeladene Waffen gab es nur als leergeschossene.

»Ist wie auf Pappscheiben«, sagte Bop.

Bop holte noch ein Schulterholster, das Lorth sich anlegte. Es fühlte sich gut an. Es verlieh ihm einen Eindruck von Macht. Die Waffe unter der Achsel, darüber die Jacke, den Reißverschluss hochgezogen. Es war ihm sofort vertraut.

»Wer ist mein Ziel?«, fragte Lorth schließlich.

»Erson.«

Lorth nickte. Er hätte es sich denken können. Trotzdem fragte er nach: »Er ist doch einer von deinen Leuten?«

»Er ist der, der seine Waffe rumliegen lässt«, sagte Bop kalt. »Der, der seinen Boss gefährdet. Der, der auch meinen Ruf beschädigt.«


Lorth stand in einer dunklen Nische im Klo des Restaurants und wartete. Er konnte gut warten. Er hatte nicht darüber sprechen können, was er vorhatte, doch er hatte in Gedanken fiktive Gespräche gewälzt. Diese Gedanken hatte er nicht abgeschlossen, und so zogen sie noch immer ihre Bahnen in seinem Kopf.

Endlich kam Erson in die Toilette. Die Tür zum Schankraum schloss sich hinter ihm. Lorth trat aus seiner Nische und stellte sich ihm entgegen, die Waffe in der Hand, den Arm lang gestreckt.

Erson stand an einem Waschbecken und schaute in den Spiegel. Er bemerkte Lorth nicht.

Lorth zielte. Er stockte. Er hatte den Mann direkt vor der Mündung.

Erson wusch sich die Hände. Er musste Lorth gehört haben, doch es nicht für relevant befunden haben, sich nach der anderen Person auf der Toilette umzusehen. Endlich schaute er auf, drehte den Kopf zu Lorth.

»Finney!«, sagte er, noch immer über das Waschbecken gebeugt.

Lorth sah Erson, sah seine Kleidung, die Bartstoppeln, sah seine Miene sich verfinstern. Er sah das dunkle Haar, das ihm in Strähnen ins Gesicht fiel, Lorths eigenem nicht unähnlich. Sah, wie Erson sich aufrichtete, sich ganz ihm zuwandte, ihn konfrontierte, ihn einschüchtern wollte, doch er kam nicht näher.

Er sah Ersons Miene von Hass und Wut in Sorge umschlagen, bekam vage mit, dass Erson etwas sagte, doch er hörte die Worte nicht.

Lorth wartete auf etwas, konnte nicht schießen.

Er sah Ersons Miene zerfallen vor Lorths unbewegtem Gesicht, zu Angst werden.

Und endlich schoss er. Ein einzelner Schuss, direkt ins Gesicht. Ersons Kopf ruckte unmerklich zurück, dann fiel der Körper in sich zusammen und schlug hart auf die Fliesen des Waschraumes. Das Echo des Knalls, das noch Sekunden in dem kahlen Waschraum widerhallte, nahm Lorth nicht wirklich war.

Er ließ die Pistole hängen. Übelkeit stieg in ihm auf, doch sein Gesicht blieb unbewegt. Nichts regte sich an ihm für mehrere Minuten. Er stand ganz still da, blickte über den Toten in der größer werdenden Blutlache hinweg auf das Waschbecken, bis der Drang sich zu übergeben schließlich verebbte.

Er verstaute die Waffe im Schulterholster, wo sie sich wieder gut anfühlte, und verließ die Toilette.